31. Oktober 2017

Rückblick zum 70. Salon



Alles auf das Diesseits


Wir konnten es nicht klären – aber wie auch? Ist Glück die Abwesenheit von Unglück, wie es Schopenhauer sagt? Ist Glück das Ergebnis kluger Lebensstrategien und vor allem Kommunikationsstrategien, wie es Myriaden von Ratgebern suggerieren? Vor allem lässt es sich aufladen, ausleuchten und je nach Perspektive gänzlich anders darstellen. Darin ist es folglich nicht nur eine Kunst, wie manche sagen, es ist auch wie die Kunst, wie sie verbreitet verstanden wird.

Schon scheinbar einleuchtende Thesen forderten Widerspruch: Dass etwa Unzufriedenheit die entscheidende Triebkraft für Handeln und Veränderungen sei. Was aber ist mit den vielen Unzufriedenen, die aus ihrer vor allem Lethargie entwickeln? Und was wäre mit dem anderen Antrieb, dem Willen, Sehnsucht, wachsen wollen, menschlichen Geist – wären das alles nur Antworten auf einen Mangel, eine Unzufriedenheit, wie es vereinfacht auch mit Schopenhauer gesagt wäre? Eine unbelegbare Behauptung, vor allem jedoch analytisch unnütz – so ließe sich jede Handlung als Antwort auf einen Mangel erklären, was aber wäre damit gewonnen und gesagt? Eher entsteht der Verdacht, hier würden einfache Erklärungen gesucht.

Was potenziell glücklicher macht müssen Bücher wohl nicht lehren: Tätig sein. Hindernisse überwinden. Oder Fatalismus: Das Leiden ist gut für irgendwas. Und man wird es finden. Das ist wie mit der Aussage, alles Sein sei Antwort auf Mangel: Unwiderlegbare Behauptungen, fertig gedacht, aber nicht zu Ende.
Fällt uns aber das Unglück leichter als das Glück, wie Schopenhauer sagt? Machen wir unser Sein deswegen mit einfachen Abkürzungsvorschlägen, was Glück bedeute und bringe, klein? Vielleicht ist das so.

Die Glücksfantasien sind letztlich auch Zeugnis der individualisierten Gesellschaft. Ohne Jenseitsvorstellung fährt hier und heute vielleicht der Zug schon ab. Und über allem klingt die Mahnung: Wenn wir das Glück, für das es keinen Ersatz, keine zweite Welt gibt, nicht erreichen, sind wir zu allem Übel auch noch selbst schuld. (mp)

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