27. September 2014

Nichtwählen - Das Salonfazit zum 38.



Nichtwählen

Der Salon war in einer Hinsicht eine Enttäuschung: Kein einziger echter Nichtwähler hatte den Weg ins Atelier gefunden, obwohl wir viele Gründe nennen konnten, es bleiben zu lassen. Einem System, das man nicht gutheißt, die Unterstützung zu entziehen, das wäre so einer. 


Die Wahl würde, folgt man Autoren wie  Peter Decker, ein bürgerliches Herrschaftssystem festigen, das wegen der Ferne und Entfremdung zwischen Problem und Entscheider abzulehnen ist. 
Die Abstinenz von der Wahl aber würde für die Änderung des politischen Systems nur außerhalb der Verfassung zulassen – eine wohl nicht mehrheitsfähige, im Salon als problematisch empfundene Strategie – wenn sich überhaupt von einer Strategie sprechen lässt, da es oft bei der Geste der Ablehnung bleibt und Alternativen nur sehr kleinräumig gedacht werden. Nicht wählen und drüber reden ist allerdings das Mindeste, was der Verantwortung des Einzelnen am Gemeinwesen entspricht. Eine Trennung zwischen Staat auf der einen und Einwohnern auf der anderen Seite ist eine gefährliche Sichtweise, die sowohl Passivität als auch Radikalität hervorbringt – und damit zwei Nichtwählertypen.

Expressives Wählen


Nicht wählen und drüber reden ist auch die im "Spiegel" provokant vorgebrachte Einstellung von Harald Welzer im Vorfeld der Bundestagswahl 2013. Die relevanten Parteien wüssten einfach keine Antwort auf die drängenden Zukunftsfragen, ja sie kennen die Frage nicht einmal, so die These des bekannten Soziologen. Die Wahl des kleineren Übels könne er endlich nicht mehr mittragen. Freilich war der Essay ein Fanal, wählen war er dennoch. 


Aber war das rational? Die Rational Choice Theorie bröckelt am sogenannten Wahlparadoxon: Obwohl man verschwindend wenig bewegen kann, nimmt man den Aufwand der Wahl auf sich. Der Aufwand sei für die Theorie viel zu gering sagen die einen. Es könnte entscheidend sein, sagen die anderen. Und vor allem ist der Ausdruck des Willens, die expressive Geste, ein wichtiger Faktor für Individuum und Gesellschaft. Daraus aber einen „Wählerwillen“ verallgemeinernd abzuleiten oder die Entscheidungen von Gruppenmitgliedern nur global auszuwerten wäre ein Fehler, zumindest aber eine intellektuelle Kapitulation. 

Der Weg vom Einzelnen zur Entscheidung des großen Systems ist voller Fallstricke und führt oft zu Ergebnissen, die den Einzelinteressen eher widerstreben. Aber ohne Repräsentanten ist eine Verwaltung technisch nicht umsetzbar. Und einen Diktator wünscht sich auch keiner. Die Fehler machen wir, wie alle Menschen seit Urzeiten, am liebsten doch selber.



23. September 2014

38. Neustädter Salon






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 Nicht-Wählen

Legitimer Ausdruck einer Haltung oder Abgesang auf die Demokratie?



Über 50 Prozent verzichteten bei der Landtagswahl in Sachsen auf ihre Stimmabgabe.

Die Einen aus Gleichgültigkeit, die Anderen aus Kalkül, viele aus Enttäuschung.
Was steckt dahinter? Reden wir darüber.

Ist Wählen eine moralische Mindestpflicht, wie es der ehemalige Verfassungsrichter   Hans-Jürgen Papier formulierte?

Oder festigt man durch die Wahl des kleineren Übels eine entfremdete Struktur? Brauchen wir die Nichtwähler als aufmerksame Mahner?

Außerdem auf der Agenda: Mythos ungültige Stimme. Was bewirkt eine Wahlpflicht? Und würde mehr direkte Beteiligung das politische Interesse steigern?





Freuen wir uns auf die Diskussion.
 
Wann: Freitag, 26.September 2014 ab 20.00 Uhr. 
Wo: Atelier Kamenzer Straße 45, Dresden

Alle Neugierigen sind wie immer herzlich willkommen.