Mit oder ohne Empathie?
Mit der Empathie ist das so eine Sache. Sie ist dadurch da, dass das Empfinden eines Anderen
uns für eine gewisse Zeit mehr beeinflusst als unser eigenes. Wobei sich das
eigene Denken da unweigerlich hinein mischt. Sie ist Teil des Umgangs mit anderen, existiert aber nicht in irgendeiner Reinform. Einer gängigen und auch im Salon
vertretenen Beschreibung zufolge zeigt sie kein Wollen. Sie urteilt nicht. Sie offenbart keine eigene Identität.
Das Wort Empathie
wird derzeit allerorts gebraucht: Jeder kann ihn mit seinen Vorstellungen
aufladen, ein Lebenskonzept, eine Charaktereigenschaft, eine Gesprächshaltung
darin sehen. Darin liegt eine wesentliche Schwäche des Argumentierens mit oder über
Empathie.
Empathie zeigt sich heute als sozial erwünschte Verhaltensweise, ist durchweg positiv aufgeladen und wird von der Gesellschaft mit Achtung belohnt. Empathie duldet kein Gegenargument. Deshalb ist es auch schwer, sich gegen Pseudo-Empathie zu wehren - gegen das betonte Zeigen von Anteilnahmen, ohne dass man den wirklichen "Bedarf" an Anteilnahme durch empathisches Einfühlen ermittelt. Dort, wo sich Empathie äußert, muss sie also nicht automatisch stärker vertreten sein.
Empathie zeigt sich heute als sozial erwünschte Verhaltensweise, ist durchweg positiv aufgeladen und wird von der Gesellschaft mit Achtung belohnt. Empathie duldet kein Gegenargument. Deshalb ist es auch schwer, sich gegen Pseudo-Empathie zu wehren - gegen das betonte Zeigen von Anteilnahmen, ohne dass man den wirklichen "Bedarf" an Anteilnahme durch empathisches Einfühlen ermittelt. Dort, wo sich Empathie äußert, muss sie also nicht automatisch stärker vertreten sein.
Mit Nachdruck wurde von Diskutanten darauf verwiesen, dass es Empathie
als solche nur zwischen zwei Individuen geben könne. Gleichwohl schreibt etwa
Jeremy Rifkin von empathischen Gesellschaften. Ließe sich das, was solche
empathichen Gesellschaften ausmacht auch mit anderen, weniger modischen Worten
und Begriffen beschreiben? Aber Toleranz, Offenheit etc. lassen das Problem der
Identifizierbarkeit und Vergleichbarkeit
auch nicht hinter sich.
Gleichwohl stellten wir die Frage, ob die Menschen in dieser
Gesellschaft empathischer handeln, sofern man das beurteilen und begrifflich so
fassen möchte. Hier gingen die Meinungen auseinander, wobei eine Tendenz zum
"ja" erkennbar blieb. Gerade der Versuch vieler Eltern, Kinder
empathisch und zu Empathie zu erziehen, könnte interessante Veränderungen im
gesellschaftlichen Miteinander der kommenden Jahrzehnte mit sich bringen. Dabei
war nicht unumstritten, ob durchweg positive Effekte zu erwarten seien.
Wir sprachen auch an anderer Stelle über problematische Phänomene, die
mit Empathie in Zusammenhang stehen. Beispielhaft dafür in Anlehnung an
Beobachtungen des Germanisten Fritz Breithaupt die Wahl von Donald Trump zum
US-Präsidenten. Wer zu irgend einem Zeitpunkt auf Trumps Seite stand, musste
ihn bis zum Ende immer energischer verteidigen, lautet die These. Die Ursache liegt
in der Empathie für den augenscheinlich von allen Seiten angegriffenen. Dabei
nutzen die Angriffe dem polarisierenden Kandidaten in solchem Maße, dass er sie
selbst durch krasse Aussagen und markantes Auftreten immer wieder provoziert. Hier wirkt die Empathie stärker
als die Sachargumente, um die der Konflikt sich abspielt. Parallelen zur
deutschen oder europäischen Politik sind nicht schwer auszumachen.
Entscheidungen, etwa in der Politik, mit Empathie zu begründen, hat sich
überhaupt als heikel erwiesen. Menschlichkeit als Motiv ist freilich nur zu
befürworten. Dort aber, wo konkurrierende Gruppen
Empathie einfordern, ist sie als Argumentationsgrundlage verloren.
Über Empathie zu reden hat sich als lohnend erwiesen. In vieler Hinsicht
bleibt ein einfühlendes Miteinander wünschenswert. Unsicher bleibt aber, ob der
Begriff der Empathie hier über den Reiz des Guten, den er ausstrahlt, die
gesellschaftliche Diskussion wirklich bereichert. Sich in ein Gegenüber
hineindenken und hineinfühlen zu können, ist seit jeher einer
Charaktereigenschaft von Menschen, die wir als angenehm empfinden. Durch die
Empathiekultur bekommt diese Eigenschaft einen eigenen Stellenwert. Das kann
durchaus ein Gewinn sein. Die fehlende Diskursfähigkeit der Empathie aber macht sie
verwundbar, wenn es zum Konflikt kommt.